Die Frage, wie viel Wahrheit in der Gründungsgeschichte der Abtei Gladbach steckt und ob es Balderich gab, beschäftigte die Menschen und die Forschung schon seit langem. So auch den Mönchengladbacher Historiker Christoph Nohn, der in mehrjähriger Forschung die Gründungsgeschichte der Stadt im 9. und 10. Jahrhundert akribisch beleuchtete und diese zugleich in die überregionalen politischen Entwicklungen einordnete. Das Ergebnis seiner wissenschaftlichen Arbeit, die durchaus auch als "Politthriller" der Historie bezeichnet werden könnte, ist jetzt in dem vom Stadtarchiv herausgegebenen Band 51 in der Reihe "Beiträge zur Geschichte der Stadt Mönchengladbach" im Klartext Verlag, Essen, erschienen.
Die Gründungsgeschichte, die "Historia fundationis", ist die zentrale Quelle für die Frühgeschichte Gladbachs und wurde 1974 von Manfred Petry in einer kritischen Ausgabe in der Reihe "Beiträge zur Geschichte der Stadt Mönchengladbach" (Band 5, 1974) auch der breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Obwohl in der Gladbacher Geschichtsforschung immer wieder betont worden ist, diese Erzählung aus den Anfängen der Abtei sei glaubwürdig, hat man doch in konkreten Fällen immer wieder wesentliche Aussagen der "Historia fundationis" bestritten. Jetzt hat Christoph Nohn die Gründungsgeschichte der Abtei Gladbach auf rund 270 Seiten in der Publikation, die für 29,90 Euro im Buchhandel erhältlich ist, neu untersucht.
Christoph Nohn legt Antworten auf die offenen Fragen der Gladbacher Frühgeschichte vor. Darin untersucht er die Glaubwürdigkeit der Aussagen der "Historia fundationis" und entwickelt schlüssige Thesen. "Meine generelle Absicht war es, die Gründungsgeschichte der Abtei Gladbach, die von Abt zu Abt weiter getragen wurde, neu zu untersuchen, um ihre Glaubwürdigkeit endgültig festzustellen. Dabei komme ich zu der Erkenntnis, dass alle genannten Ereignisse sich aus einem größeren politischen Rahmen heraus erklären lassen und durchaus glaubhaft sind", so der Autor bei der Vorstellung seines neuen Buches.
So geht es im ersten Teil des Buches "Auftakt zur Gladbacher Geschichte" darum, in einem Vergleich mit dem allgemeinen ereignisgeschichtlichen Hintergrund der Zeit zu einer verlässlichen Aussage über die Glaubwürdigkeit der in der Erzählung berichteten Ereignisse zu gelangen. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass die "Historia fundationis" eine verlässliche Quelle darstellt. Darauf basierend stehen im zweiten Teil die Identifizierung des in der Gründungsgeschichte wie im Gladbacher Totenbuch genannten Balderich sowie die Umstände seiner Kirchengründung auf dem Gladbacher Hügel im Mittelpunkt.
"Aufgrund des gesamten historischen Zusammenhangs in karolingischer und ottonischer Zeit ist dieser Balderich einigermaßen sicher mit Balderich von Friaul zu identifizieren. Die von ihm vermutlich um 850 auf dem Gladbacher Hügel gestiftete Kirche ist die Vorläuferin der Münsterkirche gewesen und nicht der Hauptpfarr- bzw. Citykirche", betont Christoph Nohn. "Der Autor hat in einer sehr detailfreudigen Puzzlearbeit Grundlagenforschung betrieben und nachgewiesen, dass die Gründungsgeschichte sehr viel zuverlässiger ist als ursprünglich angenommen", so Kulturdezernent Dr. Gert Fischer. "Balderich war schon immer bekannt. Durch die wissenschaftliche Untersuchung des Autors kann er aber eindeutig mit Mönchengladbach in Verbindung gebracht und identifiziert werden", ergänzt Dr. Christian Wolfsberger, Leiter des Stadtarchivs. Demnach sei es Christoph Nohn gelungen, Balderich aus dem bisherigen "Dunstkreis" heraus zu holen, um ihn entsprechend zu verorten. "Wenn man sich mit der frühesten Stadtgeschichte überhaupt befasst, bewegt man sich automatisch im Bereich des Legendären. Nohn ist es gelungen, aus der Legende Gewissheit zu machen", brachte es Dr. Gert Fischer auf den Punkt.
Christoph Nohn, geboren 1966 in Mönchengladbach. Nach Abitur 1985 und Wehrdienst Studium der Geschichte, Germanistik, Pädagogik und Kunstgeschichte an der Universität Köln. 1993 Erstes Staatsexamen. 1993 bis 1995 Referendariat für die Lehrämter der Sekundarstufen I und II in Kleve; dort auch Zweite Staatsprüfung. Seit 1996 Lehrer für Geschichte und Deutsch am Bischöflichen Gymnasium St. Ursula in Geilenkirchen. Lebt in Mönchengladbach. Verschiedene Publikationen zu Themen der Mönchengladbacher und der Geilenkirchener Stadtgeschichte.